Manchmal droht der Schlaf beim Pfiff
(mak)30 Jahre lang ist Jörg Fuchs als Schiedsrichter im Einsatz. Eine lange Zeit, die für den gebürtigen Saarländer auch einige Entwicklungen im Handball mitbrachte, die er als Spieler, aber eben auch als Unparteiischer anwenden und miterleben durfte. „Das Pfeifen war nach meiner Auffassung früher einfacher“, sinniert Fuchs, „dies aber auch, weil härtere Strafen wegen Schiri-Beleidigungen oder An- und Übergriffen im Katalog standen.“ Die Unart, Schiedsrichter anzugehen, ist kein Thema der Neuzeit, das gab es leider schon immer. „Übergriffe und Beschimpfungen haben auch aufgrund verschiedener Kampagnen der Vereine stark abgenommen“, lobt Fuchs die Erkenntnis der Klubs, dass es ohne die meist ehrenamtlichen Referees nicht geht.
Wie wichtig die Arbeit der Schiedsrichter ist, das zeigt sich gerade im Nachwuchsbereich. Dort ist der Referee nicht nur Regelhüter, sondern auch Pädagoge. Wie Fuchs anschaulich an einer Anekdote zu berichten weiß: „Einem C-Jugendspieler zeigte ich die gelbe Karte. Da er es offensichtlich nicht direkt mitbekommen hatte, machte ich ihm mit den Worten 'Du hast die gelbe Karte bekommen' nochmals darauf aufmerksam. Nach dem Spiel kam er dann zu mir und verlangte, ihm die Karte auch auszuhändigen, die ich ihm ja schließlich zugesagt hatte. Ich übergab sie ihm mit einem Autogramm darauf.“ Der Zeitenwandel ging auch am Schiedsrichterwesen nicht vorbei, berichtet Fuchs. „Seinen Spielauftrag hat man früher per Postkarte, auch schon mal mehrere im Kuvert, zugeschickt bekommen. Internet, geschweige denn Handy und PC waren gegebenenfalls aus Zukunftsfilmen bekannt.“
Aber auch eine andere Entwicklung hat eingesetzt, zur Freude auch von Jörg Fuchs. „Die Zahl der weiblichen Schiedsrichter hat zugenommen. Vor dreißig Jahren war das Auftreten einer Schiedsrichterin eher ein belächelter Einzelfall. Aber vor den wenigen, die sich damals schon getraut haben, war schon Respekt vorhanden.“ Natürlich kann Fuchs auch dazu eine passende Erzählung präsentieren. „Ein älterer, wegen Meckerns mit einer Zwei-Minutenstrafe auf die Bank verwiesener Spieler entschuldigte sich nach dem Spiel bei der Schiedsrichterin mit den Worten: 'Sie müssen mich bitte auch verstehen! Da hat man die ganze Woche daheim nichts zu sagen und dann steht da beim Handballspiel auch noch eine Frau die einem pfeift!““ Damals hätten sie beide geschmunzelt, die Frau an der Pfeife und auch er selbst. Dass es ohne die Frauen im Handball nicht weitergeht, das aber ist angesichts der großen demografischen Hürden in der Sportart für Fuchs klar. Und das, so meint er, haben mittlerweile auch fast alle eingesehen.
„Die Änderungen der Spielformen in den verschiedenen Jugendmannschaften mit den dazu gehörenden, nicht gerade einfachen Regeln, sind mittlerweile auch im Erwachsenenhandball nicht einfach zu durchschauen“, sagt Fuchs. So entstünden ständig neue Herausforderungen für die Unparteiischen, die zum Nachwuchsproblem der Männer und Frauen in Schwarz beitrügen. „Leider bleiben viele Jung-Schiedsrichter nicht mehr so lange bei der Stange, sind nicht selten unzuverlässig und werfen schnell wieder hin. Hier fehlt das 'an die Hand nehmen' durch die alten Hasen“, mahnt Fuchs. Das dies allerdings schwer umzusetzen sein wird, das weiß auch er: „Der viel zu kleine Kader macht das fast unmöglich.“ Die Schiedsrichter sollten sich zudem wieder besser vernetzen, mehr den Austausch suchen, wünscht sich Fuchs. „Der Zusammenhalt der gesamten Schiedsrichter, zumindest in unserem Bereich, war früher besser. So hat man sich einmal im Jahr zu einem Picknick oder gemeinsamen Essen, jeweils von einem anderen Verein ausgerichtet und vom Verband übernommen, getroffen. Der HV Rheinland hat heute aber offensichtlich weder für so etwas noch für Fahrten zu Fort- und Weiterbildungen nicht mehr viel Bares übrig“, bedauert Fuchs.
Gleichwohl will Fuchs noch einige Zeit an der Pfeife weiter machen – und hofft darauf, noch einige interessante Partien oder auch einmal eine besondere Begegnung leiten zu dürfen. Was ihm dennoch als ganz spezielles Spiel in Erinnerung sei? Da muss Fuchs nicht lange nachdenken. „Das war vor einiger Zeit, bei einem Frauen-Kreisligaspiel in Kleinich. Als Halbzeitstand stand da sage und schreibe ein 1:0 auf der Anzeigetafel. Und nach sechzig Minuten ein spektakuläres 2:1 Endergebnis“, berichtet Fuchs und lacht: „Ich war kurz davor, am Spielfeldrand einen Stuhl aufzustellen, weil ich beinahe eingenickt wäre.“